Wer mit Chat-GPT Mathe lernt, bekommt schlechtere Noten. Wer damit Recherchen durchführt, vergisst das erarbeitete Material bald wieder.
Diese alarmierende Erkenntnis berichtet am 6. Juli 2025 die NZZ. Sie stellt die Frage in den Raum: Untergräbt künstliche Intelligenz unser menschliches Denkvermögen?
Als ich diesen Artikel las, musste ich unwillkürlich schlucken. Erwische ich mich nicht selbst dabei, immer häufiger ChatGPT oder ähnliche KI-Tools zu Rate zu ziehen – sei es für schnelle Fakten, Coding-Hilfe oder sogar zum Brainstormen? Die Verlockung ist groß: Wissen auf Knopfdruck. Doch wenn dabei am Ende weniger hängenbleibt, sollten bei uns allen die Alarmglocken schrillen.
KI als Abkürzung – und die Tücken dabei
Tatsächlich öffnen Tools wie ChatGPT, DeepSeek oder KI-Agents Tür und Tor zu Themengebieten, in denen wir keine Spezialisten sind. Plötzlich können wir uns innerhalb von Minuten in neue Wissensfelder einlesen, als hätten wir jahrelange Erfahrung. Das Tempo der Wissensaufnahme schnellt in die Höhe – ein Segen in unserer schnelllebigen Zeit. Doch hier steckt ein doppeltes Risiko:
- Trügerische Kompetenz: Wir fühlen uns informiert, doch ohne Fundament bleibt das neue Wissen oberflächlich. Mit anderen Worten: Schmücken wir uns mit fremden Federn? Haben wir wirklich verstanden, wovon wir reden, oder plappern wir nur elegant formulierte KI-Antworten nach?
- Nachlassendes Denken: Je mehr wir die Lösung einer Frage einfach an die Maschine delegieren, desto weniger strengen wir unser eigenes Hirn an. Erste Studien zeigen, dass bei intensiver KI-Nutzung bestimmte Hirnaktivitäten für Kreativität, Gedächtnis und Aufmerksamkeit geringer ausfallen. Bequemlichkeit kann unsere Denkmuskeln verkümmern lassen.
Diese Punkte sind kein Plädoyer gegen KI – im Gegenteil. Sie sind ein Aufruf, bewusst damit umzugehen.
Kritisches Denken will geübt sein
Meine persönliche Schlussfolgerung aus all dem lautet: Kritisches, reflektiertes Denken muss aktiv geübt werden, gerade weil uns KI so viel abnehmen kann. Um mein eigenes Denken fit zu halten, habe ich drei einfache Fragen – eine kleine mentale Übung jedes Mal (oder fast jedes Mal), wenn mir ChatGPT oder ein Artikel neues Wissen liefert:
- Was war – in einem Satz – neu für mich? Kann ich die Kernidee oder das neue Faktum in meinen eigenen Worten knapp zusammenfassen? Das zwingt mich, wirklich zu verstehen, was ich gerade gelernt habe, statt nur Worte vorbeirauschen zu lassen.
- Wo habe ich Störgefühle oder Zweifel? Passt diese Information zu meinem bisherigen Weltbild und Wissen? Klingt irgendetwas unplausibel? Dieses Bauchgrummeln ist wertvoll – es signalisiert, wo ich tiefer nachhaken oder andere Quellen prüfen sollte. Anstatt alles glatt zu schlucken, bleibe ich wachsam und hinterfrage.
- Warum ist das für mich oder meine Arbeit relevant? Welche Bedeutung hat dieses neue Wissen in meinem Kontext? Wenn ich keinen persönlichen Bezug finde, verpufft die Info oft schnell. Stelle ich jedoch den Bezug zu meinen Projekten, Zielen oder Erfahrungen her, verankere ich das Gelernte in meiner Denkstruktur.
Diese Reflexionsfragen sind mein Gegenmittel gegen das passive Konsumieren von KI-Antworten. Sie kosten nur ein, zwei Minuten Zeit, bringen aber mein eigenes Gehirn wieder in den Spielmodus. Ich merke, wie ich dadurch auch Wochen später noch weiß, warum mich ein bestimmter Fakt begeistert oder irritiert hat – weil ich ihn aktiv durchdacht und eingeordnet habe.
Praktische Impulse: Mensch bleiben mit KI-Unterstützung
Wie können wir nun konkret von diesen Überlegungen profitieren? Hier ein paar Handlungsimpulse, die ich auch für mich selbst formuliert habe:
- Aktiv nachdenken statt nur konsumieren: Sobald Sie eine Antwort von ChatGPT erhalten haben, drücken Sie gedanklich auf „Pause“. Fragen Sie sich: Was davon ist wirklich neu? Glaube ich das so? Vielleicht sogar: Was hätte ich ohne KI geantwortet?
- Wissen verankern: Nehmen Sie sich bei wichtigen Themen die Zeit, Ergebnisse ohne KI zusammenzufassen – etwa in einem kurzen Fazit oder indem Sie es jemandem erklären. So prüfen Sie, ob das Wissen wirklich sitzt.
- Kompetenzen stärken: Identifizieren Sie Bereiche, in denen Sie dank KI viel Neues gelernt haben. Bauen Sie dort systematisch Ihr Fundament aus – durch Bücher, Kurse oder Gespräche mit Experten. Aus Oberflächenwissen soll echtes Know-how werden.
- Teamkultur fördern: Ermuntern Sie Ihre Mitarbeitenden, kritisch mit KI-Ergebnissen umzugehen. Teilen Sie z.B. die drei Reflexionsfragen im Teammeeting. So entsteht eine Kultur, in der KI zwar Willkommen ist, aber das letzte Wort beim Menschen liegt.
Ein Selbsttest
Jetzt, am Ende meines Beitrages ein kleiner Selbsttest:
- Was war eine neue Erkenntnis in diesem Beitrag für mich?
- Was daran löst vielleicht Unbehagen oder Zweifel aus?
- Könnte das für meine Arbeit relevant sein?
Wenn Sie darauf Antworten finden, haben Sie bereits aktiv gedacht statt nur gelesen. Das freut mich!